Türkei (Istanbul und Ankara) 2002

mit Unterstützung folgender Personen und Institutionen:

Deutscher Musikrat - Verbindungsstelle für internationale Angelegenheiten
Deutschen Botschaft Ankara
Muzaffer
Çorlu (Scarlatti Duo, Istanbul)
Murat Gürol - Istanbul

 

Zeitplan

Repertoire
Reisebericht
Liste der musikalischen Aktivitäten
 

 

Zeitplan

30.08. ganztägige Probe in Heidelberg ab 10:30 Uhr, Musikschule  
31.08. Flug ab Frankfurt 11.45 mit Turkish Airlines  
  Ankunft in Istanbul 15.40 - Transfer durch und Unterkunft in der Yücelt - International Youthhostle im Zentrum der Stadt  
01.09. Freie Zeit, Vorbesprechung der beiden Ensembleleiter, offene Probe des Collegium Cithara Istanbul  
02.09. Begegnung, Masterclass und Workshop mit dem Collegium Cithara Istanbul (click )  
  offene Proben beider Ensembles in der Yildiz Technical University und der Arya - Musikschule  
03.09. Konzert in der Istanbul Technical University mit dem Collegium Cithara Istanbul
      -
Programm
 
04.09. Freie Zeit: Stadt- und Museumsbesichtigungen, Bootsfahrt auf dem Bosporus  
05.09 Busreise von Istanbul nach Ankara, Unterbringung im Hotel Metropol  
05.09. 20:00 Konzert in Ankara im Konzertsaal der : Middle East Technical University (veranstaltet / organisiert durch die Deutsche Botschaft, Ankara)
      - Programm
 
06.09. Einladung in die deutsche Botschaft, Stadt- und Museumsbesichtigung  
  zurück nach Istanbul mit dem Nachtbus  
07.09. Rückflug von Istanbul 15.25  
  Ankunft in Frankfurt: 17.35  

 

Repertoire

   
Henry Purcell (1659-1695) Drei Stücke aus " Fairy Queen"
  • Symphony while the swanes come foreward
  • If love's a sweet passion
  • The fairies' dance
Girolamo Frescobaldi (1583-1646) Canzona
Antonio Vivaldi (1678-1741) Konzert in G-Dur für 2 Gitarren und Streicher (bearb. für Gitarrenensemble)
Roland Dyens (*1955) Côte Sud
Nikita Koshkin (*1956) Changing the Guard
Wulfin Lieske (komp: 1999) 1st. Misunderstanding on F.S.
Alberto Ginastera (1916-1983) Malambo aus dem Ballett Estancia
Pat Metheny (*1954) Phase Dance
   
Solobeiträge  
 
Fernando Sor (1778.1839) Variations on a Theme of W.A. Mozart op. 9
Isaac Albéniz Cataluña

 

Reisebericht

Nach den erfolgreichen Aktivitäten der vergangenen Jahre mit Konzertreisen in die Ukraine und Bulgarien (gemeinsam mit dem Bielefelder Gitarrenensemble) und Auftritten bei der EXPO in Hannover im Deutschen Pavillon konnte das Ensemble GuitArt mit seinem Leiter Helmut Oesterreich in diesem Jahr - wieder mit Unterstützung durch den Deutschen Musikrat - eine Konzertreise in die Türkei, nach Istanbul und Ankara unternehmen.
Eingeladen dazu hatte vor allem Muzaffer Çorlu und sein Ensemble "Collegium Cithara Istanbul" aber auch die Deutsche Botschaft in Ankara engagierte sich sehr und organisierte dort, in der Hauptstadt den Aufenthalt des Ensembles und ein sehr schönes Konzert.
Die Reise war in beiderlei Hinsicht, sowohl was die vielfältigen musikalischen Aktivitäten und Kontakte anbelangt als auch im Kennenlernen einer überaus faszinierenden Stadt ein sehr erlebnisreiches Unterfangen. Jeder Tag war von morgens bis spät nachts ausgefüllt mit Musik, Kontakten zu Menschen und einer 2000 Jahre umfassenden Kultur, die uns auf Schritt und Tritt begegnete.

 

31.08.02

Nach einem 2-1/2 - stündigen Flug von Frankfurt nach Istanbul wurde das Ensemble am Flughafen bereits von einer Mitarbeiterin der Jugendherberge erwartet und zu einem Bus gebracht, der uns in die Innenstadt fuhr. Unterkunft war die Yücelt International Youthhostle, direkt neben der Hagia Sofia! Allerdings war die Jugendherberge - aus welchen Gründen auch immer - in der ersten Nacht noch belegt, so daß wir ohne Aufpreis in einem ebenfalls zentral gelegenen Hotel auch im Stadtteil Sultanahmet, nur wenige Minuten Fußweg zu den berühmten Sehenswürdigkeiten, untergebracht wurden. Der Abend war einer ersten Stadterkundung, der Besichtigung der blauen Moschee, einer etwas kitschigen Moscheenbeleuchtung und dem Ausprobieren der typischen Küche vorbehalten.

 

01.09.

Valentin Valtchev, unser Freund aus Bulgarien, der im vergangenen Jahr so engagiert unseren Bulgarienaufenthalt organisiert hatte  kam rechtzeitig zum Frühstück an. Er wollte unseren Konzerten und Workshops beiwohnen und abgesehen davon war es schön ihn wiederzutreffen. Besichtigungen der Altstadt und ein Rundblick über die 16 - Millionenstadt vom Galtaturms, den man nach einer Überquerung des Goldenen Horns über die Galatabrücke erreicht füllten den Vormittag aus. Hier im Stadtteil Galata gibt es eine Strasse, in der sich ein Musikgeschäft an das andere reiht. Gitarren, Perkussionsinstrumente, elektronisches Band - Equipment aber auch traditionelle türkische Instrumente wie Du oder Sas gab es hier  in unübersehbarer Vielfalt.  Ein Teil der Gruppe besichtigte das Topkapi - Museum mit Schatzkammer und Harem. 
Nach dem Umzug in die Jugendherberge war H. Oesterreich mit Muzaffer Çorlu, dem Leiter des einladenden Partnerensembles CGI (Collegium Cithara Istanbul) verabredet. Er unterrichtet an der Yildiz Universität und in einer privaten Musikschule "Arya" im Stadtteil Galata, moderiert mehrere Radiosendungen mit klassischer Gitarrenmusik und ist offenbar eine der zentralen Gitarrenpersönlichkeiten Istanbuls. Detailplanung und Inhalte der Aktivitäten der nächsten Tage wurden besprochen und sofort bestand ein guter  Draht zwischen den beiden Ensembleleitern.
Am Abend konnten wir offene Probe des CGI anhören. Dieses Ensemble besteht aus 14 Spieler, die, obwohl durchweg Amateure, auf einem sehr sehr hohen Niveau spielen. Ihr Zusammenspiel ist technisch und musikalisch exakt, alle Stimmen, egal ob Haupt- oder Begleitstimmen sind hinsichtlich Dynamik, Phrasierung und Artikulation sorgfältig ausgearbeitet. Zudem kommt eine spürbare Spielfreude bei uns Zuhörern an.

Das Repertoire, das sie spielten bestand aus:

Antonio Vivaldi: Alla rustica
Anon. 3 Türkische Stücke, basierend auf traditionellen Volksweisen
P. Tschaikowski  Nussknacker - Suite
W.A. Mozart  Serenata nocturna
Boccherini   Introduktion und Fandango

Nach der eindrucksvollen Aufführung gingen alle in ein nahegelegenes Restaurant um  gemeinsam zu essen. Die offene, kontaktfreudige Art der Gastgeber führte ganz rasch zu lebhaften Gesprächen wobei man sich schnell  kennenlernte und sofort ein sehr  freundschaftlicher Kontakt entstand. Darauf musste natürlich mit Raki, dem landestypischen Anisschnaps angestoßen werden.

 

02.09.

Workshop in Yildiz Universität hatte zwei bzw. sogar drei Teile. Nach einer kurzen Einleitung über die noch sehr junge Tradition des Ensemblespiels mit Gitarren und das damit zusammenhängende Fehlen von Originalliteratur erläuterte H. Oesterreich typische Merkmale Neuer Musik anhand von Hörbeispielen (gespielt von GuitArt und von CD) und skizzierte Wege, wie aleatorische oder graphische Partituren realisiert werden können. Danach folgte ein praktischer Teil in dem die Komposition "Edition" von Werner Heider gemeinsam von beiden Ensembles erarbeitet wurde.
Nach dem Essen in der Uni - Kantine ging es dann in die Arya - Musikschule, wo GuitArt eine offene Probe hatte, die mit großem Interesse und viel Ausdauer den ganzen Nachmittag über vom kompletten CGI verfolgt wurde.
Um 19:00 Uhr dann erarbeitete Muzaffer Çorlu mit GuitArt ein türkisches Stück im 9/8 - Takt. Die komplizierten, wechselnden Taktunterteilungen in Zweier- und Dreiergruppen und die sehr differenzierte Art zu betonen war nicht einfach und stellte für uns eine neue, inspirierende musikalische Erfahrung dar. Çorlu  agierte als Dirigent sehr kompetent und humorvoll - lebendig.
Beim gemeinsamen Abendessen in Galata kreisten die Gespräche vorwiegend um musikalisch - gitarrstische Themen.

 

03.09.

Besuch des großen Bazar in Istanbul, angeboten wird hier vorwiegend Teppiche, Keramik, Lederbekleidung, Schmuck- und Edelsteine, Touristensouveniers, Perkussionsinstrumente (Darrabukka), Wasserpfeifen aber auch Dinge des alltäglichen Haushaltsbedarfs. Natürlich muss über den Kaufpreis gehandelt werden.

Die Konzertvorbereitung begann am frühen Nachmittag nach dem  Bustransfer zur Istanbul Technical University im Stadtteil Taksim, vorher mussten unsere Instrumente noch von der Musikschule abgeholt werden, wo sie nach dem Workshop hinterlegt werden konnten. Die Fahrt durch die sehr engen Gassen des Stadtteils  mit den 2 Kleinbussen war recht abenteuerlich. Es gab dann eine gemeinsame Probe mit CGI im Konzertsaal, der Auftritt selbst lief  sehr gut, zuerst spielte GuitArt, dann das  CGI. Der bedeutendste Klassik - Veranstalter Istanbuls war anwesend da und sagte nach unserem Auftritt, er hoffe, wir könnten nochmals eine Unterstützung des Deutschen  Musikrats bekommen, denn er möchte uns gern zu einem Jugendmusik- oder zu einem Gitarrenfestival einladen.
Den Abend verbrachten beide Ensembles gemeinsam bis spät nachts in einem Restaurant auf der asiatischen Seite. Wir überquerten den Bosporus auf einer der großen Hängebrücken. Der Ausblick bei der Anfahrt auf diese Brücke mit den zahllosen Lichtern der Stadt bot ein eindrucksvolles Bild. Man kannte sich nun schon gut, was neben der ausgelassenen Stimmung auch ernsthafte Gespräche z.B. über Islam, Türkei als modernes Land, das die EU - Mitgliedschaft anstrebt, die Frauenrolle - Kopftuch tragen oder nicht - usw. neben der Musik zuließ.

 

04.09.

Abgesehen von einem Vorspiel einiger CGI - Spieler bei Helmut Oesterreich am Abend (sie erwarteten von ihm Tipps zur Spieltechnik und Interpretation der Solostücke, die sie gerade im Repertoire hatten) war der ganze Tag für Besichtigungen und Museumsbesuche frei.

Die Hagia Sofia, die berühmte Kuppelkirche und eines der Wahrzeichen der Stadt ist nicht nur architektonisch imposant, sondern sie birgt auch byzantinische Mosaiken deren  berühmteste ein  Jesus Pancreator- Motiv ist. Der Blick aus dem Fenster der Galerie dieser Kirche / Moschee, die sowohl als christliche als auch islamische Kultstätte diente über Kuppeln hinweg  hinüber zur blauen Moschee war  märchenhaft, ließ Assoziationen zu den Geschichten von Scheherazade aus 1001 Nacht aufkommen.
Nachmittags, in strömendem Regen bei der Abfahrt unternahmen wir eine Bootsfahrt auf dem Bosporus, hindurch unter den Hängebrücken, die den europäischen und den asiatischen Teil der Stadt verkehrstechnisch miteinander verbinden. Mehrfach wurden Anlegestellen angesteuert, während der Fahrt waren große Ozeanriesen auf dem Weg vom oder zum Schwarzen Meer zu sehen aber auch luxuriöse Häuser und Villen am Ufer. Im Fischerdorf Antanolu hatten wir einen Aufenthalt um ein exzellentes, frisches Fischmenü zu essen, zurück ging es dann wieder bei strahlendem Sonnenschein.

 

05.09.

Eine 7-stündige Busfahrt brachte das Ensemble am nächsten Tag in die Hauptstadt Ankara. Das Konzert am Abend desselben Tages war von der Deutschen Botschaft und deren Kulturabteilung, insbesondere der Mitarbeiterin Frau Sonsuz in Zusammenarbeit mit der Middle East Technical University, der Elite - Uni der Türkei, organisiert worden. Nach der Ankunft blieben gerade einmal 2 Stunden Zeit, dann wurden wir bereits zum Auftrittssaal in der Uni zur Bühnenprobe und Soundcheck gebracht.  Zahlreiche Botschaftsangehörige und die Mitglieder eines Chirurgenkongresses waren neben den gitarren- und musikinteressierten Zuhörern im Publikum. Diesmal wurde das Programm allein von GuitArt bestritten. Zwei Solobeiträge der Mitglieder Max Richter (F. Sor: Mozart - Variationen) und Christoph Weisbrod (I.Albeniz: Cataluña) lockerten die Folge der Ensemblestücke auf.  Insgesamt war die Reaktion sehr positiv, am Schluss regelrecht enthusiastisch gewesen.

 

06.09.

Zu Mittag erwartete uns eine Einladung in die Deutsche Botschaft in Ankara. Wir wurden regelrecht wie Ehrengäste empfangen, der Botschafter persönlich begrüßte uns und gratulierte zum Konzert. Anschließend gab es ein Essen, bei dem an jedem Tisch ein Botschaftsangehöriger, Kanzler, Botschaftssekretär, Leiterin des Goethe - Instituts oder auch die Direktorin der Universität mit den jugendlichen Spielern zusammensaß und das Gespräch suchte. Wir empfanden es als sehr ehrenvoll daß uns  eine so hochrangigen Besetzung ihre Aufmerksamkeit und Anteilnahme entgegenbrachte. Später konnten einige unserer Gruppe sogar noch im Pool des Botschaftsgeländes baden.
H. Oesterreich gab derweil ein Rundfunkinterview für die Radiostation TRT Ankara - Radio, deren Klassikprogramm landesweit in der gesamten Türkei ausgestrahlt wird. (Sendetermin: 16. 09. 02, 15:00 - 16:00 Uhr. 
Als Sehenswürdigkeiten für den restlichen Tag bot Ankara das Atatürk - Mausoleum, einen stalinistischen Bau, der dem vielverehrten Modernisator des Türkischen Staates zum Andenken mitten in der Stadt errichtet ist. Oder man konnte einen historischen Stadtkern mit einer Festungsruine besichtigen. Wer es vorzog etwas von der Geschichte zu erfahren war im Museum für Anatolische Völkerkunde bestens aufgehoben, konnte dort Originalexponate berühmter Reliefs, Tempelinschriften, Statuen und sogar Keilschriften aus den prä - griechischen Hochkulturen der Hetiter und Perser besichtigen. Zurück nach Istanbul ging es dann mit dem Nachtbus.

 

07.09.

Die Ankunft war schon um 6.00 Uhr morgens, aber wir konnten unsere Instrumente und das Gepäck wieder in der  Jugendherberge deponieren und dort frühstücken. Ein Teil des Ensembles besuchte an diesem Abschlusstag noch das Türkische Bad und ließen sich massieren und die Knochen einrenken oder sie besuchten den Gewürzbasar. H. Oesterreich traf nochmals Muzaffer Çorlu, der seit Jahren schon eine klassische Gitarren - Rundfunksendung gestaltet, um mit ihm eine Livesendung zu machen. Çorlu stellte seine Intervievfragen auf deutsch und übersetzte die ebenfalls deutschen Antworten dann ins Türkische.  Zwischendurch wurde Musik gespielt, teilweise von Valentin Valtchev aber zumeist von GuitArt und dem Jugendgitarrenorchester Baden-Württemberg,
Die einzige Panne passierte dann beim Abflug: Der Rückflug war überbucht, 2 Mitglieder konnten erst später und über Umwege ihren Rückflug antreten. Aber auch sie gelangten am selben Abend in Frankfurt an und waren zufrieden in der ersten Klasse mit Sekt und Riesling geflogen zu sein.

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Das überaus positive Ergebnis der Reise lag für GuitArt neben den musikalischen Erfahrungen und Erfolgen auch darin, das hier in Deutschland  doch recht zwiespältige Verhältnis zu den türkischen Mitbürgern neu zu überdenken. Die Offenheit und Freundlichkeit mit der man uns überall - nicht nur bei den Musikerfreunden - begegnete, gab manchen Anlass, das Verhalten bestimmter Deutscher Bevölkerungsgruppen den hier lebenden Türkengegenüber, bzw. die Integrationsproblematik der Türken in Deutschland  zu thematisieren. Hinzu kamen die historisch - kulturellen Eindrücke einer Stadt, die erleben ließen, daß die Grundlagen der modernen westlichen Kultur zum großen Teil vom Gebiet der heutigen Türkei ausgingen.

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Liste der musikalischen Aktivitäten

15:00 - 18:00 Uhr      Offene Probe des Ensemble GuitArt, der die CGI - Spieler aufmerksam zuhören.
19:00 - 20:00 Uhr      Muzaffer Çorlu studiert mit GuitArt ein türkisches Stück im 9/8 - Takt ein -
anschließend wieder gemeinsamer Restaurantbesuch bis spät nachts.


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